Interview mit Prof. Dr. René Schwendimann, langjähriger Mitarbeitender am INS anlässlich seiner Pensionierung

Rene Schwendimann

René Schwendimann begleitet das INS seit 2001 als Assistent, Doktorand, Leiter des Lehrbereichs, Titularprofessor und Dozent für Patientensicherheit und Pflegequalität im Masterstudiengang. Nun wurde er Ende 2022 pensioniert. Wir wollten wissen, was ihn all die Jahre bewegt hat und ob er ohne Pflegeforschung leben kann.

INS: Lieber René, wir freuen uns sehr, mit Dir dieses Interview zu führen. Nun bist Du ja bereits ein paar Monate in Pension – wie fühlt sich der Ruhestand an? Ist es eher ein Unruhestand?

René Schwendimann (RSC): Ja, seit letztem Dezember bin ich pensioniert und es fühlt sich – immer noch im «Ferien und Erholungsmodus» – ungewohnt an. Aus dem strukturierten und vielseitigen Berufsleben befinde ich mich nun im Übergang in die zukünftige, weitgehend selbst zu bestimmende, «private» Lebensweise. In meinem Tagebuch habe ich ein neues Kapitel aufgeschlagen, das ich «Das neue Leben» nenne. Da bin ich nach langer Fahrt gerade erst an einem neuen Ufer angekommen und zusammen mit meiner Frau sind wir unterwegs auf dem unbekannten Weg ins Hinterland.

Du hast hier am INS als erster Schweizer in Pflegewissenschaft promoviert und dann als Privatdozent, Leitung Bereich Lehre, Forschungsleiter und Titularprofessor viele Jahre gearbeitet. Wie kam es eigentlich dazu, wie hast du deinen Weg in die Pflegeforschung gefunden?

RSC: Mein Weg in die Pflegeforschung begann in den 1990er Jahren mit dem Thema «Sturz», das mich damals als «Oberpfleger» im Zürcher Waidspital stark beschäftigte. So kam es, dass ich mich mit der Sturzproblematik, die uns Fachleute im klinischen Alltag herausforderte, wissenschaftlich auseinandersetzte. Das Rüstzeug dazu erwarb ich mir während des Masterstudiums und in der Folge führten wir verschiedene Studien durch, deren Erkenntnisse wir teilweise bei der Sturzprävention umzusetzen konnten.

Du hast auch eine langjährige Erfahrung in der Praxis. Wie hast Du die Akademisierung der Pflege erlebt, welchen Impact gab es durch Deine Forschung und unseren Studiengang Pflegewissenschaft?

RSC: Ein praktischer Impact aus meiner Forschungstätigkeit bestand in der Einführung und Etablierung des Sturzprotokolls im Waidspital und weiteren Spitälern. Damit konnten Sturzereignisse von Patient*innen systematisch erfasst und ausgewertet werden. Dies beflügelte die Entwicklung und Umsetzung von Programmen zur Sturzprävention und später die Auseinandersetzung beispielsweise mit der Arbeitsumgebungsqualität von Pflegefachpersonen und der Sicherheitskultur in einem Betrieb. Diese Erfahrungen und Perspektiven flossen in der Lehre seit 2006 auch in den Semesterkurs «Patientensicherheit und Qualität» ein.

In all den Jahren am INS und dem USB - an welche Ereignisse erinnerst du dich besonders gerne? Gab es auch Situationen, die du lieber nicht noch einmal erleben möchtest?

RSC: Seit 2001 erlebte ich hautnah mit, wie das INS vom ersten Institut für Pflegewissenschaft an einer Schweizer Universität hin zu einem renommierten akademischen Zentrum mit nationaler und internationaler Ausstrahlung gewachsen ist. Ein Höhepunkt war für mich das 20-jährige Jubiläum, bei dem nicht nur das Erreichte zelebriert werden konnte, sondern auch das Zukunftspotential des INS aufleuchtete. Für mich schwer erträgliche Situationen betrafen Studierende oder KollegInnen. Beispielsweise, wenn Leistungsansprüche nicht erfüllt werden konnten. Dennoch hat sich in der Rückschau alles gefügt und ich bin dankbar und stolz Teil des INS zu sein.

Wie wir gehört haben, wirst du weiterhin zum Thema Sturzprävention forschen. Kannst du uns ein bisschen über die Ziele, Methoden und Dauer des aktuellen Projekts erzählen?

RSC: Ich werde als wissenschaftlicher Berater im Universitätsspital Basel (USB) die Kolleg*innen bei der Evaluation und Weiterentwicklung des Sturzpräventionsprogramms unterstützen. Mit unserem Projekt erstellen wir eine Datenbank mit strukturierten Informationen aus der elektronischen Pflegedokumentation der letzten vier Jahre. So können wir rückblickend im Zeitverlauf aus routinemässig erhobenen Daten zu Sturzrisikofaktoren, präventiven Pflege-massnahmen und Sturzereignissen verschiedene Fragestellungen zu dessen Merkmalen und Effektivität angehen. Für mich persönlich schliesst sich damit auch ein grosser thematischer Kreis. Wie zu Beginn meiner wissenschaftlichen Laufbahn setze ich mich nochmals vertieft mit der Sturzthematik auseinander.

Welchen Rat kannst du Neulingen in der Pflegeforschung mit auf den Weg geben?

RSC: Etwas vom Spannendsten an der Forschung ist meiner Meinung nach im gewählten Fachbereich (und darüber hinaus) Fragen zu stellen und Antworten zu suchen. Dazu gehört auch, sich nicht mit den erstbesten Erklärungen zu begnügen, sondern dem warum auf der Spur zu bleiben. Unabdingbar ist dabei in die eigene methodische Aus- und Weiterbildung zu investieren und sich mit den Kolleg*innen auszutauschen sowie Netzwerke aufzubauen und sich gegenseitig zu unterstützen.

Lieber Réne, wir bedanken uns herzlich bei Dir für die wertvolle Zusammenarbeit und wünschen Dir weiterhin alles Gute und viel Erfolg!