Ethnologie in der Pflegewissenschaft: Ein Perspektivenwandel
Dr. Sandra Staudacher
Seit der Dissertation von Frau Staudacher über Altern und transnationaler Pflege- und Sorgearbeit zwischen älteren Personen in Sansibar (Tansania) und ihren Angehörigen im Oman, hegt sie grosses Interesse für soziale und kulturelle Aspekte von Pflege und Gesundheit im Alter. Diese Themen will sie ganzheitlich, d.h. auch im Kontext von aktuellen politischen, ökonomischen und sozialen Gegebenheiten verstehen. Zudem hat sie die Forschungsarbeit der Vergangenheit mit weiteren Themen wie Gender, Migration und Ungleichheit für unterschiedliche Wahrnehmungen, Erfahrungen und Realitäten sensibilisiert. Aus diesem Kontext heraus und basierend auf dieser umfangreichen Expertise, verfolgt sie ihre aktuelle ethnografische Pflegeforschung am INS im Bereich der interprofessionellen Zusammenarbeit.
„Die Perspektiven von älteren Menschen werden sowohl in der Forschung wie auch in der Praxis häufig gar nicht erfasst (z.B. in der Planung und Implementierung von Interventionen oder in Evaluationen bzgl. Pflege- oder Lebensqualität). Dabei ist gerade in dieser späten Lebensphase die Heterogenität und soziale Ungleichheit in der Schweiz sehr gross. Als Ethnologin in den Pflegewissenschaften ist es mir wichtig, diese Phänomene aus unterschiedlichen Perspektiven zu analysieren, die Komplexität aufzuzeigen und im jeweiligen Kontext zu verstehen. Ich bin überzeugt, dass ein umfängliches Verständnis von Pflege und Gesundheit im Alter dazu beitragen kann, zusammen mit Praxispartnern sinnvolle Lösungen für aktuelle Herausforderungen zu finden, z.B. individuellere (Pflege-)Lösungen anzustreben (patientenzentrierte Ansätze, koordinierte Pflege) sowie Lebensqualität und Chancengleichheit (equity) zu fördern. Wie z.B. in unserem aktuellen Forschungsprojekt TRIANGLE, bei welchem wir zu Lebensqualität im Zusammenhang mit personenzentrierter Pflege und interprofessioneller Zusammenarbeit in Alters-und Pflegeheimen aus der Sicht von BewohnerInnen, Professionellen und Angehörigen in der Schweiz, Grossbritannien und Niederlande forschen.
Methodisch interessieren mich die Weiterentwicklung von qualitativen mixed methods in den Pflegewissenschaften (u.a. Beobachtung, Teilnahme, informelle und formelle Interviews oder Dokumentanalyse), wie sie z.B. in ethnographischen Ansätzen üblich sind oder innovative Ansätze in der Implementierungsforschung (z.B. Kontextanalyse) interdisziplinär mitzugestalten.
Ich erhoffe mir so zu forschen, dass die Forschungsresultate in der Praxis, Politik und Gesellschaft diskutiert werden, Denkanstösse geben und dadurch zur Entwicklung einer besseren und gerechteren Pflege beitragen können.“
Projektleitung in TRIANGLE: Personenzentrierte Versorgung und Lebensqualität in Alters- und Pflegeheimen: Drei Fallstudien in der Schweiz, Grossbritannien und Holland.