myCare Start

Projektname
Implementierung eines neuen Versorgungsmodells zur Unterstützung der Therapietreue bei Menschen, die neue Langzeitmedikation beginnen (myCare Start Projekt) - Eine Implementierungs-Wirksamkeitsstudie.

Projektleitung
Marie-Paule Schneider Voirol
Sabina De Geest (Projekt Co-Leitung)

INS-Projektteam
Sabina De Geest
Juliane Mielke

Externe Projektpartner
Pharmaceutical Care Research Group, Department Pharmazeutische Wissenschaften, Universität Basel (Samuel Allemann)
Universität Barcelona (Alexandra L. Dima)
Berner Institut für Hausarztmedizin (BIHAM), Universität Bern (Marc Dupuis, Karen Maes, Fanny Mulder, Alice Panchaud)
School of Pharmaceutical Sciences, Faculty of Science, University of Geneva (Stéphane Guerrier)
Institute for Primary Care, Faculty of Medicine, University of Geneva (Dagmar Haller, Eva Pfarrwaller, Johanna Sommer)
Berner Institut für Hausarztmedizin (BIHAM), Universität Bern; pharmaSuisse (Stephen P. Jenkinson)
Centre for Primary Care and Public Health (Unisanté), University of Lausanne (Joachim Marti, Clemence Perraudin)

Ort der Datenerhebung
Schweiz

Laufzeit
2022 bis 2026

Projektbeschreibung
Hintergrund
In der Schweiz leidet ein Viertel der Bevölkerung (2,2 Millionen Menschen) an einer nicht übertragbaren chronischen Krankheit, wobei zu erwarten ist, dass die Anzahl mit der zunehmenden Alterung der Bevölkerung steigt. Die Mehrheit der Patient:innen mit einer chronischen Krankheit ist auf eine dauerhafte Medikamenteneinnahme angewiesen. Dies erfordert eine aktive Beteiligung der Patient:innen an der Behandlung sowie ein verantwortungsvolles Selbstmanagement, welches eine korrekte Medikamenteneinnahme beinhaltet. Unzureichende Therapietreue zu Beginn einer Langzeitbehandlung ist jedoch besonders problematisch und erfordert interprofessionelle Massnahmen im Rahmen der Primärversorgung (d. h. Ärzt:innen in Zusammenarbeit mit speziell geschulten Apotheker:innen und Pflegenden).
Eine der am besten untersuchten, evidenzbasierten, interprofessionellen Interventionen zur Förderung der Therapietreue zu Beginn einer Langzeitbehandlung, ist der in Grossbritannien entwickelte patientenzentrierte New Medicines Service (NMS). Wirksamkeitsstudien belegen, dass die Zahl der therapietreuen Patient:innen, die den NMS in Anspruch genommen haben, nach 10 Wochen um 10 % gestiegen ist und die Gesamtkosten für den NHS langfristig gesenkt werden konnten. Seitdem wurde der NMS in mehreren europäischen Ländern (England, Irland, Schottland, Dänemark und Belgien) eingeführt. Aufgrund von Implementierungsschwierigkeiten war die Wirksamkeit des Systems in der Praxis jedoch begrenzt.
In Anlehnung an den NMS wurde myCare Start von pharmaSuisse in der Schweiz eingeführt. Es ist die erste evidenzbasierte, landesweite Gesundheitsdienstleistung, die von interprofessionellen Teams in der Grundversorgung durchgeführt wird. Das Ziel von myCare Start ist es die Therapietreue von chronisch kranken Patient:innen zu unterstützen, die eine neue Langzeitbehandlung in der Schweiz beginnen. Die Dienstleistung besteht aus 2 x 10 Minuten halbstrukturierten pharmazeutischen Interventionen, die während der ersten 6 Wochen nach Beginn der Behandlung durchgeführt werden. Die Interventionen sind dabei auf die Bedürfnisse der Patient:innen zugeschnitten, die als Partner:innen gesehen werden. Eine Machbarkeitsstudie hat das Potenzial von myCare Start in der Schweiz bestätigt. Die Herausforderungen bei der Implementierung, wie z. B. die Erreichbarkeit der Apotheken, die unzureichend entwickelte interprofessionelle Zusammenarbeit und Studienabbruchrate, verdeutlichen jedoch die Notwendigkeit von implementierungswissenschaftlichen Methoden, um die erfolgreiche Implementierung und maximale Wirksamkeit von myCare Start sicherzustellen. 

Zielsetzung
Adaptierung des NMS für die Schweiz (myCare Start), Implementierung und Evaluierung von myCare Start innerhalb des schweizerischen Apotheken-Ärzte-Netzwerks zur Verbesserung der Therapietreue bei der Initiierung einer neuen Langzeitbehandlung.
Phase A

  • Durchführung einer Kontextanalyse des Schweizer Primärversorgungssystems Bezug auf die pharmazeutisch-ärztliche, interprofessionelle Gesundheitsdienste für Patient:innen mit chronischen Erkrankungen.
  • Einbindung der wichtigsten Interessengruppen (Stakeholder) innerhalb des Schweizer Primärversorgungssystems, um die Entwicklung der interprofessionellen myCare Start-Dienstleistung voranzutreiben.
  • Entwicklung einer an den Kontext angepassten myCare Start-Dienstleistung, sowie Auswahl kontextbezogener Implementierungsstrategien.
  • Durchführung einer Machbarkeitsstudie in Bezug auf die adaptierten Interventions- und Implementierungsstrategien und Entwicklung eines logischen Modells.

Phase B

  • Implementierung der kontextspezifischen Schweizer myCare-Start-Dienstleistung innerhalb des Schweizer Apotheken-Ärzt:innen-Netzwerks und Evaluierung im Hinblick auf die Therapietreue und die Kosteneffektivität.
  • Evaluierung der Implementierungsergebnisse und des Implementierungsprozesses von myCare Start.

Design/Methode
MyCare Start ist ein interprofessionelles, multizentrisches, nationales Implementierungsforschungsprojekt, das in Zusammenarbeit mit sechs universitären Partnern und über 160 kommunalen Apotheken- und Ärzt:innennetzwerken in der Schweiz durchgeführt wird. Das Forschungsprojekt umfasst zwei Phasen, die sich auf die Adaptierung, Implementierung (Phase A) und Evaluierung (Phase B) konzentrieren.
Phase A:

  1. Unter Anwendung von state-of-the-art Methoden wird eine interprofessionelle Stakeholdergruppe initiiert, die beratend, fachlich und richtungsweisend tätig sein wird, um eine solide Grundlage für die myCare-Start-Dienstleistung zu schaffen und ihre nachhaltige Umsetzung zu gewährleisten. Die Interessengruppen werden während der verschiedenen Projektphasen einbezogen, einschliesslich der Adaptierung, Implementierung und Evaluierung der myCare-Start-Dienstleistung, sowie zur Etablierung interprofessioneller Kooperationsmodelle mit Ärzt:innen, Pflegenden und Patient:innen.
  2. Als Grundlage für die weiteren Schritte des myCare Start-Projekts wird eine Kontextanalyse durchgeführt. Die Kontextanalyse stützt sich auf vorhandene Evidenz aus internationalen und Schweizer Studien zu Implementierungsbarrieren in der Praxis. Zusätzliche wird eine primäre Datenerhebung mit Mixed-Methods-Methoden durchgeführt, um (1) Versorgungsprozesse und strukturelle Merkmale von Apotheken in der Schweiz zu erfassen; (2) Bedürfnisse und relevante Kontextfaktoren in Bezug auf das Management chronischer Krankheiten in Apotheken zu identifizieren; (3) das Innovationsklima und die Offenheit in Bezug auf myCare Start zu bewerten; (4) Faktoren zu verstehen, die die Implementierung von myCare Start beeinflussen und wie sie miteinander verbunden sind.
  3. Die Adaptierung von myCare Start wird in Zusammenarbeit mit den Stakeholdern entwickelt, um den Transfer in die Praxis zu gewährleisten. In Anbetracht der Vielfalt der Settings, in denen myCare Start angeboten werden soll, werden Kern- und adaptierbare Implementierungskomponenten definiert. Beratungs- und verhaltensbezogene Interventionskomponenten werden theoriegeleitet entwickelt.
  4. Auf der Grundlage der ERIC-Taxonomie (Expert Recommendations for Implementing Change) werden zusammen mit den Stakeholdern Ebenen übergreifende, kontextangepasste Implementierungsstrategien ausgewählt, die die Umsetzung von myCare Start in der Praxis unterstützen.
  5. Um kontextadaptierte Implementierungsstrategien zu testen wird eine multimethodische Machbarkeitsstudie in 12-15 Apotheken durchgeführt.
  6. Es wird ein logisches Modell erstellt, in dem die Beziehung zwischen Inputs (Determinanten), Aktivitäten (Implementierungskomponenten und Implementierungsstrategien), Outputs (Implementierungsmechanismen) und Ergebnissen dargestellt wird.

Phase B:
Im Rahmen eines Hybrid Typ II Effektivitäts-Implementierungsdesigns (zweiarmiges, multizentrisches, stufenförmiges, randomisiertes, kontrolliertes Cluster-Design) wird myCare Start in 120-160 Apotheken in der Schweiz implementiert und getestet. Die Therapietreue als primärer Endpunkt wird nach 10 Wochen, 6 und 12 Monaten anhand des BAASIS®-Patientenselbstberichts und elektronischer Apothekenberichte gemessen. Eine 12-monatige Kosten-Nutzen-Analyse erfolgt aus einer Gesundheitssystemsperspektive. Anhand des NoMAD-Tools (Normalization Measure Development questionnaire) werden die Implementierungsergebnisse (d. h. Erreichbarkeit, Annahme, Zuverlässigkeit, Akzeptanz und Implementierungskosten) und der Implementierungsprozess mit Hilfe von Mixed-Methods analysiert.

Erwarteter Nutzen / Relevanz
MyCare Start wird das erste innovative, interprofessionelle, integrative Versorgungsmodell zur Unterstützung der Therapietreue bei chronisch kranken Patient:innen in der Schweiz sein. Durch gemeinsame Anstrengungen zur Verbesserung der Therapietreue von Patient:innen mit Langzeitbehandlung können die Behandlungsergebnisse der Patient:innenverbessert, die Patient:innensicherheit sichergestellt und die finanzielle Belastung der Patient:innen und des Gesundheitssystems verringert werden. MyCare Start dient nicht nur dazu, die Wirksamkeit der Intervention zu belegen, sondern auch dringend benötigte Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie die Intervention in der Praxis umgesetzt werden kann - eine Voraussetzung für die weitere Verbreitung.